Disclaimer: Dieser Beitrag ist nur ein Entwurf. Das Thema ist komplex und diese Komplexität zu durchdringen ziemlich ermüdend. Ich stelle den Text in seinem aktuellen, unfertigen Zustand aber aus privaten Gründen online, um ihn als Diskussionsgrundlage bereitzustellen. Dementsprechend ist er auch nicht kategorisiert.
War die Unterscheidung und Definition der politischen Begriffe "links" und "rechts" bisher ein nerviger, aber wahlweise ignorierbarer Nebenkriegsschauplatz gewesen, so hat sich das in den letzten Wochen geändert. Ende Januar/Anfang Februar haben viele Bundesbürger das Bedürfnis verspürt, sich als Stimme "gegen Rechts" auf die Straße zu verirren. Nur was ist denn überhaupt "rechts"? Und was im Gegensatz dazu "links"? Dass diese Begriffe bloße Etikette sind, deren Zuschreibung vom Zeitgeist abhängt, unterscheidet Kundgebungen "gegen Rechts" von solchen gegen konkrete Handlungen oder Ereignisse wie z.B. Krieg, Umweltverschmutzung etc. So vage die Definition von "rechts" und "links" erscheint, so sehr wird der Schlagabtausch mit diesen Begriffen vor einer starken emotionalen Kulisse inszeniert - "ziemlich viel Meinung für so wenig Ahnung", würde mancher das frech kommentieren. Geradezu schäumend wettern einige Menschen entweder "gegen diese Rechten" oder "links-grüne Ideologie", die Begriffe sind beliebig austauschbar. Egal ob im Bundestag oder auf privaten Veranstaltungen, überall trifft man früher oder später Debatten (oder einseitige Vorträge) mit diesen oberflächlichen Ausdrücken, die mich gern das Thema wechseln lassen. Wer mich kennt, weiß: Das will was heißen.
Aber wenn jetzt alle dieses Fass aufmachen wollen, dann begeben wir uns doch mal auf eine grundsätzliche Spurensuche nach der Bedeutung von "links" und "rechts", welchen Wandlungen sie unterlagen, wie ihre Bedeutung ortsabhängig ist - und worüber man sprechen könnte, wenn man keine Lust hat, sich mit vagen Begriffen aufzuhalten.
Der Ursprung von "links" und "rechts"
Beginnen wir unsere Recherche mit einem ganz klassischen Griff zum Lexikon. Nein, nicht das politische Meinungsschlachtfeld Wikipedia, sondern einem physischen Lexikon, dass vor permanenter, tagesaktueller Neuschreibung sicher ist. Dessen Inhalt demnach fundiert und möglicherweise zeitlos genug ist, dass der Verlag es guten Gewissens zu drucken und verkaufen bereit war, ohne die Furcht, es könnte übermorgen schon wieder veraltet sein.
Da finden wir im regalbeherrschenden Brockhaus in 12 Bänden folgende Definitionen:
"Linke, in der parlamentarischen Sprache ursprünglich die liberale Partei im Unterschied zur konservativen Partei oder zur "Rechten". Diese Ausdrücke entsprachen der Sitzordnung der politischen Parteien (vom Präsidentenstuhl aus gesehen) in den französischen Kammern seit dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts. Seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde der Name besonders für die sozialistischen Parteien und Gruppierungen verwendet. Später umfasste er alle, die politisch das Moment des Veränderns stärker betonten als das des Bewahrens. "Links" wurde auch oft gleichgesetzt mit liberal, fortschrittlich, tolerant.
Rechte, Bezeichnung für die im Parlament - vom Präsidentenplatz aus - auf der rechten Seite des Saales sitzenden Parteien: betont im Gegensatz zur Linken mehr das Moment der Bewahrung überkommener politisch-sozialer Verhältnisse und Normen."
In der englischen Encyclopædia Britannica erfahren wir zum Thema "Politisches Spektrum" näheres (eigene Hervorhebungen): "[...] Die auf die Französische Revolution zurückgehende Tradition ordnet Ideologien, die soziale, politische und wirtschaftliche Gleichheit in den Vordergrund stellen, auf der linken Seite des Spektrums ein und Ideologien, die verschiedene Formen der Hierarchie in den Vordergrund stellen, auf der rechten Seite des Spektrums. Obwohl viele andere Möglichkeiten zur Klassifizierung politischer Positionen vorgeschlagen wurden, sowohl aus Gründen der wissenschaftlichen Strenge als auch um eine breitere Anwendung über alle Kulturen hinweg zu ermöglichen, bleibt diese Links-Rechts-Achse die vorherrschende Methode zur Beschreibung politischer Ideologien, insbesondere in den westlichen Ländern. Der Ursprung der politischen Achse links/rechts wird im Allgemeinen auf das Jahr 1789 datiert, als die französische Nationalversammlung in Versailles tagte. Während der mehrtägigen Sitzung gruppierten sich die Abgeordneten, die revolutionäre Werte vertraten, auf der linken Seite der Versammlung, während diejenigen, die die Monarchie unterstützten, sich auf der rechten Seite ansiedelten. Dies trug dazu bei, eine dauerhafte Verbindung zwischen der Linken und den revolutionären Werten, die zum Egalitarismus tendierten, und zwischen der Rechten und den traditionalistischen oder hierarchischen Werten herzustellen. Einige Denker sind der Meinung, dass diese Links-Rechts-Dichotomie ein natürlicher Auswuchs einer allgemeineren Tendenz menschlicher Kulturen war, die auf der weit verbreiteten Rechtshändigkeit beruhte und das Konzept "rechts" mit Attributen wie Stärke und Stabilität und das Konzept "links" mit Attributen wie Gefahr oder Unordnung in Verbindung brachte. Dies könnte zu einer einfachen Assoziation zwischen der Rechten und einer Politik geführt haben, die den Status quo aufrechterhält, während die Linke mit einer Politik assoziiert wurde, die diesen in Frage stellt." Der Britannica-Eintrag fährt damit fort, dass es immer wieder Versuche gab, dieses eindimensionale Modell mehr oder weniger erfolgreich zu verfeinern. Ein praktisches Beispiel dafür, mit dem sich jeder selbst einordnen lassen kann, ist der Political Compass, der hier auf Deutsch verfügbar ist. Bei diesem Test werden Fragen aus verschiedenen Bereichen beantwortet, die auf den ersten Blick mal mehr, mal weniger mit Politik, definitiv aber mit menschlichem Zusammenleben zu tun haben. Anhand der Antworten wird berechnet, wo man in einem Koordinatensystem steht, das aus den Achsen "Ökonomisch links/rechts" und "Autoritär - Liberal" besteht. Ich würde diese beiden Dimensionen übersetzen mit "Was will ich?" und "Wie will ich das erreichen?", wobei ich mir hierfür auch keine Passgenauigkeit für jedes Thema anmaße.
Wichtig ist der genannte Punkt, dass "links" tendenziell ein revolutionäres Bestreben hin zu mehr Gleichheit meint, "rechts" dagegen ein konservatives Beharren auf Ungleichheit. (Un-)Gleichheit ist dabei nicht mit Andersartigkeit vs. Identität zu verwechseln, denn dass Menschen sehr unterschiedlich sind, kann niemand bestreiten. Es wird aber gerne als Strohmann bemüht, wenn sich jemand über linke "Gleichmacherei" beschwert, darum sei es der Vollständigkeit halber erwähnt. Gleichheit ist freilich juristisch-sozial gemeint und gleiche Rechte für jedermann zu fordern war/ist definitiv revolutionär, wenn man bedenkt, dass hierarchische Gesellschaftsordnungen mit unterschiedlichen Rechten je nach sozialem Stand, in den man zufällig hineingeboren wurde, in der Geschichte die Regel waren. Und dies auch in der heutigen Zeit nur abgeschwächt, aber noch nicht beseitigt ist.
Einfacher ausgedrückt: Dürfen bzw. müssen alle Leute, die in einem bestimmten sozialen Rahmen beteiligt sind, das gleiche Mitspracherecht haben? Der Rechte würde tendenziell sagen: "Nein, weil manche eben reicher/schlauer/von Gott auserwählt oder aus sonstigen Gründen wichtiger sind." Der Linke würde tendenziell sagen: "Ja, weil alle Teil dieses sozialen Rahmens sind, jedes Individuum absolut."
Mit der rechten Antwort konnte/kann die jeweils herrschende Elite ein Problem haben oder nicht - je nachdem, ob sie Teil der Struktur ist, die die Rechten bewahren bzw. zu der sie zurück wollen. Mit der linken Antwort wird das deutlich schwieriger, denn diese schließt Hierarchien als Form der Ungleichheit oder gar politischen Ausgrenzung aus. Wenn sich alle beteiligten Menschen des sozialen Rahmens - eines Landes, eines Kontinents, aber auch z.B. einer Firma - sich gegenseitig auf Augenhöhe betrachten, gibt es zwar immer noch viele verschiedene Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnissen, aber eben keine Herrschaftselite, die "ein bisschen gleicher" als die anderen ist und einseitig Macht ausüben kann.
"Die Nazis waren links!"
An dieser Stelle möchte ich auf ein wiederkehrendes Streitthema eingehen: Waren die Nazis wirklich "rechts" - oder nicht doch "links"... fifty-fifty... wenigstens ein kleines bisschen? Immerhin nannten sie sich doch National-"sozialisten" und das "AP" in NSDAP steht für "Arbeiterpartei". Dieser Mythos ist fast so alt wie die NSDAP selbst. Hierzu bin ich während der Arbeit an diesem Beitrag ebenfalls in Büchern fündig geworden, ohne explizit nach Antworten hierauf gesucht zu haben. Man muss wissen, dass "Sozialismus" in der Weimarer Republik kein exklusiv linker Begriff war, sondern gewissermaßen eine Worthülse wie "Freiheit": Je nach politischem Lager wurde er mit einer anderen Bedeutung versehen und solange man nicht zu genau nachfragt, kann man zumindest schon mal glauben, man sei sich einig. (Und wenn dieser Glaube mindestens am selten vorkommenden Wahltag einsetzt bzw. bis zu selbigem anhält, reicht das in einem parlamentarischen System ja schon, gell?) Zudem war damals die Arbeiterbewegung bzw. die Arbeiterschaft an sich ein gesellschaftlicher Faktor, den sich anzusprechen lohnte. Später wurde die Gleichheit von NSDAP und der kommunistischen KPD sogar aus SPD-Kreisen behauptet, obwohl sich diese beiden vermeintlich gleichen Parteien draußen auf den Straßen längst die Köpfe einschlugen. Hierfür wurde das Totalitarismus-Argument bemüht, dass auch später nach dem Zweiten Weltkrieg benutzt wurde, um die kriegsmüden Westdeutschen auf eine (nochmalige) Auseinandersetzung mit der Sowjetunion einzustimmen.
Wie gesagt lässt sich als ideologisches Kernelement der politischen Linken der Egalitarismus ausmachen: Jeder Mensch ist gleich an Rechten geboren, darf gleichermaßen am gesellschaftlichen Leben teilhaben, seine Persönlichkeit frei entfalten und hat das Recht, sein Leben frei zu gestalten. Egal ob Frauenemanzipation, Völkerfreundschaft, Gleichberechtigung sexueller oder ethnischer Minderheiten etc. - all dies lässt sich vom Standpunkt des Egalitarismus begründen. Bezogen auf die Arbeitswelt kann dies wie gesagt so ausgelegt werden, dass er auch am Arbeitsplatz nicht bloß Befehlsempfänger sein muss, sondern die Rahmenbedingungen der Arbeit nach Möglichkeit mitentscheiden darf... und nicht einfach nur Lohnabhängiger, sondern auch Miteigentümer sein kann.
Der "Sozialismus" der Nazis in den Betrieben sah dagegen so aus, dass die Angestellten nunmehr als "Gefolgschaft" ihres "Betriebsführers" mit letzterem die "Betriebsgemeinschaft" bildeten. Gewerkschaften, in denen sich die Arbeiter organisieren konnten, um mit vereinter Kraft ihren Interessen gegenüber den mächtigeren Arbeitgebern Nachdruck zu verleihen, gab es nicht mehr. Die "Ersatz"-Organisation hieß Deutsche Arbeitsfront (DAF), umfasste gleichermaßen Arbeiter und Arbeitgeber und war nicht etwa ein "runder Tisch", sondern dazu da, die propagierte Betriebs-, Volks- und Schicksalsgemeinschaft zu betonen. Die Unterorganisation Kraft durch Freude (KdF) bot den Arbeitern Freizeitaktivitäten an, die sie aber nicht von der Arbeit ablenken, sondern sie für selbige wieder fit machen sollten, so wie man auch Maschinen nach einer gewissen Zeit außer Betrieb nehmen und warten muss. Und mehr war der noch so "arische" Arbeiter bei Lichte betrachtet auch nicht: Ein Zahnrad in der NS-Wirtschaftsmaschine, die alsbald tauglich werden musste für den langersehnten Eroberungskrieg.
Egalitäre politische Mitgestaltung auf breiter Basis, mithin also von unten nach oben war vom Tisch, überall hatte das Führerprinzip zu gelten: Befehl und Autorität nach unten, Gehorsam und Verantwortung nach oben - mit dem obersten Führer Adolf Hitler an der Spitze. Das war die "vom Schicksal" gewollte Ordnung, begründet mit dem nicht hinterfragbaren Segen einer höheren Macht, ähnlich der "von Gott gewollten", jahrhundertelangen Herrschaft der Könige. Regelmäßige demokratische Absicherung war auch nicht nötig, wenn man dem Glauben schenken musste, dass Adolf Hitler auch nur gütiger Handlanger der "Vorsehung" war. (Und wer dies vorher nicht freiwillig tat, hatte ja spätestens nach dem Krieg und den bohrenden Fragen nach der eigenen Mitschuld gute Gründe dazu...)
Wie frei und gleich an Wert und Rechten man in den Augen der Nazis tatsächlich geboren war, haben jene am deutlichsten erfahren, die nicht zur arischen Knuddelgemeinschaft gehörten. Dass Rassenideologie mit Egalitarismus nicht zusammengeht, ist eigentlich kein Geheimwissen (wie so vieles, weswegen man sich fast schon unhöflich vorkommt, wenn man jemandem die These vom "linken" NS-Faschismus zu widerlegen versucht). Aber welche tollen Möglichkeiten der Lebensplanung und Persönlichkeitsentfaltung die Nazis für die "Fremdvölkischen" in den besetzten Gebieten anstrebten, kann uns ja Heinrich Himmler, Chef der Polizei und hobbymäßig noch Reichsführer des woken Electro-Gothic-Clubs "SS" einmal in seinen Worten darlegen: "Für die nichtdeutsche Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben als die vierklassige Volksschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: Einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, daß es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein, und ehrlich, fleißig und brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich... Diese Bevölkerung wird als führerloses Arbeitsvolk zur Verfügung stehen und Deutschland jährlich Wanderarbeiter für besondere Arbeitsvorkommen... stellen..."
Sein Homie in Berlin, der Supreme-Vegetarier "Addi" Hitler war von dieser Idee so geflasht, dass er fast aus den Sneakers gekippt ist und das erst einmal in einer Insta-Story zur offiziellen Politik erklären musste.
Die so gewonnenen Arbeitskräfte kamen entweder gezwungenermaßen oder freiwillig, was aber größtenteils auch eher "gefreiwilligt" heißen muss. Zitat Fritz Sauckel, Gauleiter und "Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz", im Jahre 1944:
"Von den 5 Millionen ausländischen Arbeitskräften, die nach Deutschland gekommen sind, sind keine 200.000 freiwillig gekommen."
Aus den "artverwandten" Völkern der westlichen Besatzungsgebiete hoffte man auf hochgebildete Fachleute, nur komischerweise waren die gar nicht so scharf drauf, der Nazi-Wirtschaft zu helfen, weshalb man also auch hier alsbald Druck machte. Die als minderwertig betrachteten Zwangsarbeiter aus Polen und der Sowjetunion mussten ein gut erkennbares "P" bzw. "OST" an ihrer Kleidung tragen. Sie durften sich weder organisieren noch den Arbeitsplatz wählen, gesellschaftliche Veranstaltungen besuchen oder Medien konsumieren... aber eine 15-prozentige "Sozialausgleichsabgabe" von ihrem Hungerlohn leisten, das durften sie, schließlich mussten sie ja aus rassistischen Gründen gefälligst weniger verdienen als ihre "wertvolleren" Kollegen. Unterkunft und Verpflegung (nochmal: für die Zwangsarbeit, zu der sie unschuldig verschleppt wurden!) gab's auch nicht umsonst. Und wer sich beschwerte, konnte sicher mit knallharten Konsequenzen wegen "deutschenfeindlichen Äußerungen" rechnen - sozusagen Cancel Culture mit vorgehaltener Pistole. Schließlich waren die Zwangsarbeiter der unmittelbaren Zugriffsgewalt der Geheimpolizei ausgesetzt.
Den Spruch "My body, my choice" haben die Nazis auch aus der Ich-Perspektive verstanden: "Das Kind adelt die Mutter", las man auf dem "Ehrenkreuz der Deutschen Mutter", kurz "Mutterkreuz", das man bzw. Frau ab dem vierten Kind in Bronze, ab dem sechsten Kind in Silber und ab dem achten Kind in Gold bekam. Natürlich nur die deutsche Frau. Für die Damen in den besetzten Gebieten hatten die Nazis keine MILF-Orden, sondern Pläne wie diese vorgesehen:
"Durch Propagandamaßnahmen... muß der Bevölkerung immer wieder der Gedanke eingeredet werden, wie schädlich es ist, sich viele Kinder anzuschaffen... die Säuglingssterblichkeit darf nicht bekämpft werden... Kinderzulagen wie überhaupt alle Maßnahmen, die Kinderreiche bevorzugen, müssen vermieden werden."
Ich kann also aus der bloßen Beschreibung dessen, was die Nazis mit Stolz und Überzeugung aufgebaut haben, nichts "linkes" erkennen, was dieses Label verdient. Weder haben sie die Eigentumsverhältnisse durch materielle Umverteilung ausgeglichen noch die Gesellschaft demokratischer gestaltet. Stattdessen haben sie eine alte, hierarchische Ordnung mit neuem Anstrich wiederbelebt, aber die Gesellschaft auf einen "höheren" Zweck eingeschworen und die inländische untere Klasse nach rassistischen Kriterien ein Stück weit in die ("gefühlte") Elite einbezogen - gewissermaßen also das umgesetzt, was Moeller van den Bruck in seinem 1923 erschienenen Buch „Das Dritte Reich“ entwarf: "Moeller forderte die Vernichtung von Parteiensystem und Parlamentarismus; sein „Deutscher Sozialismus“ sollte auf der Ausbeutung anderer Völker beruhen: Wenn „alle minderwertige Arbeit“ dem „polnischen, italienischen und sonstigen Analphabetentum“ auferlegt werde, könne der deutsche Arbeiter aufhören, „Proletarier“ zu sein." Dies ließ uns der Historiker Reinhard Kühnl schon 1985 in seinem Buch "Die Weimarer Republik" wissen. Im Nachwort schrieb er:
"Übernommen aus der Selbstdarstellung des Faschismus ist auch die Bezeichnung "Nationalsozialismus". Wird sie - wie weithin üblich - als Kennzeichnung für Bewegung und Herrschaftssystem des deutschen Faschismus verwandt, so gerät aus dem Blick, daß es sich bei diesem "Sozialismus" um eine demagogische Formel und keineswegs um die Wirklichkeit des Faschismus handelt. Man geht sozusagen der Ideologie des Faschismus nachträglich noch einmal auf den Leim."
Nichtsdestotrotz habe ich ein gewisses Verständnis dafür, warum man früher oder später auf den Gedanken kommen kann, ob die Nazis nicht "links" gewesen wären. Müsste ich meine historischen und gegenwärtigen Eindrücke zu den politischen Lagern in einer spitzen Formel zusammenfassen, würde ich sagen: "Die einen können einem eine schlechte Idee gut verkaufen, die anderen eine gute Idee schlecht." Auch wenn ich mich eher links sozialisiert habe, gibt es doch genügend Aspekte in Vergangenheit und Gegenwart, die ich entschieden ablehne.
Egalitaristen haben zwei Möglichkeiten, ihre Ziele umzusetzen, die beide eine ausgeprägte Willensstärke erfordern: Entweder mit einer Mobilisierung und aktiven Beteiligung eines Großteils der Bevölkerung, der allerdings vorher entsprechend erreicht und überzeugt werden muss. Oder man versucht, selbst an die konzentrierte Macht zu gelangen, nur um sie dann dafür zu nutzen, ebendiese konzentrierte Macht zu dezentralisieren und zu einem großen Teil wieder abzugeben. Letzteres möchte ich fast schon die "Sollbruchstelle" im linken Rückgrat nennen, an der sich entscheidet, wie ernst man es mit dem Egalitarismus meint, anstatt sich selbst zur neuen Elite zu erheben. Demgegenüber wollten die Nazis die Macht ja gar nicht dezentralisieren, geschweige wieder abgeben oder teilen. Zitat Josef Goebbels:
"Wir Nationalsozialisten haben aber niemals behauptet, daß wir Vertreter eines demokratischen Standpunktes seien, sondern wir uns demokratischer Mittel nur bedienten, um die Macht zu gewinnen, und daß wir nach der Machteroberung unseren Gegnern rücksichtslos alle Mittel versagen würden, die man uns in Zeiten der Opposition zugebilligt hatte."
Freilich gab oder gibt es in "linken" - sich als sozialistisch oder kommunistisch verstehenden - Staaten faktische Scheinwahlen ohne nennenswerte Alternativen. Dennoch macht es einen theoretischen Unterschied, ob dies ein Widerspruch zur grundlegenden Ideologie ist oder mit ihr vereinbar. Wenn man sich etwa als "Diktatur des Proletariats" versteht, sollte man das Proletariat durchaus regelmäßig und offen fragen, was es denn eigentlich so denkt und will. Das war in einem hierarchischen Führerstaat hingegen gar nicht vorgesehen, nicht einmal theoretisch. Aber ich wiederhole mich.
Links und rechts in der Realität
Zurück in die Gegenwart. Wie bei so vielen Begriffen, die lange in der Geschichte kursieren, unterliegen die praktischen Äußerungen rechter und linker Perspektiven sowohl zeitlichen wie auch räumlichen Variationen. Was überhaupt nahelegt, sie möglichst nicht a priori für sich zu beanspruchen, sondern rein deskriptiv zu verwenden. Es gibt hierzulande bekanntlich die Partei "Die LINKE" (und - weniger bekannt - das Gegenstück "Die Rechte"), wo der Parteiname eine Richtung vorschreibt... mit dem Problem:
Wenn sich das politische Programm ändert, was dann? Benennt sich die Partei dann etwa um? Fairerweise sei gesagt, dass das auch mit anderen namensgebenden Begriffen - "sozialdemokratisch", "grün" etc. - der Fall sein kann. Dieses "Marketing-Problem" hat die "Alternative für Deutschland" zugegeben nicht: Eine Alternative zu haben weckt schon mal positive Assoziationen. Wie die Alternative aussieht und ob sie gut oder schlecht ist, ist aus dem Parteinamen nicht ablesbar, selbst wenn man etwas auf diese Etikettierungen geben wollte.
Ohne das abstrakte Verständnis der Begriffe neigen manche Leute dazu, mit den Begriffen keine Konzepte zu verbinden, sondern konkrete Personen (und wie gesagt Parteien).